Singvögel im Winter: Als Federkugel durch die Nacht

Der Winter bringt für unsere Singvögel tiefgreifende Veränderungen mit sich. Die Temperaturen sinken, das Nahrungsangebot ändert sich und ist unter Schnee und Eis erschwert zugänglich. Und die Tage im Mittwinter sind kurz. Mit der längsten Nacht des Jahres zur Wintersonnwende am 22. Dezember verbleiben nur knappe acht Stunden Tageshelligkeit zur Nahrungssuche.

 

Gegen diese Herausforderungen haben unsere Vögel Überlebensstrategien entwickelt. Während Insektenfresser wie Schwalben, Laubsänger und Grasmücken uns im Herbst Richtung Süden verlassen, setzen die Überwinterer auf ein gut isolierendes Federkleid und werden zum Vegetarier: Statt Insekten stehen jetzt die leichter erreichbaren und in ausreichender Menge verfügbaren Samen, Nüsse und Früchte auf dem Speiseplan. Dafür verändert sich im Vogelkörper das Verdauungssystem und es werden kleine Fettdepots für die Nacht gebildet. Die im Winter nicht benötigten inneren Geschlechtsorgane verkleinern sich vorübergehend, aber das Gehirn vergrößert sich bei Arten, die wie der Eichelhäher Futterdepots anlegen. So können sie sich Verstecke besser merken.

 

Zudem helfen Verhaltensänderungen Energie einzusparen. Vögel mit dunklem Gefieder tanken gerne in der Wintersonne Wärme und kalte Winternächte werden im Schutz der Vegetation, in Nischen oder Höhlen verbracht, die vor allem vor auskühlendem Wind schützen. Dazu stecken die Vögel ihren Kopf und die Füße tief ins Gefieder und plustern sich zu einer runden Federkugel auf, um Wärmeverluste über die Körperoberfläche zu reduzieren. Auf diese Weise übernachten Meisen, Kleiber und Sperlinge gerne in Nistkästen. Oder man wärmt sich gegenseitig: Zaunkönige, Baumläufer und Schwanzmeisen bilden gerne Schlafgruppen, bei denen mehrere Vögel gemeinsam die Nacht verbringen, indem sie ganz dicht zusammenkuscheln.

 

Dr. Stefan Bosch

Kohlmeise - Nachtschlaf im Nistkasten